Pflanzen, die ohne unsere Gartenkünste wachsen und gedeihen. Eine auf dem Alpenfelsen schwankende Luzerne und eine Gemse, die das schlanke Bein auf diesen Felsen sezt und die Lippen lüstern den goldenen über dem Abgrund hängenden Trauben nähert: das ist ein so malerisches Bild, daß es den Landschaftsmaler wohl inspirieren kann, wenn er die Harmonien und Melodien der Natur empfindet und versteht. Le mélèze lui-même, au fond du groupe noir, La chèvre s'attache au cytise, Et l'enfant s'attache à sa mère. Lamartine. ....suspendre la chèvre au cytise embaumé. Partout où la nature est gracieuse et belle, Farewell to the grave, Mac Caura, And the briar and wawing fern Over thy slumbers twine. Mrs. Downing. Kornblume. Ihr Name besitzt für uns einen eigenen Reiz; ihre Blüte ist ein Stern, ihre Farbe ist gleichsam ein Lobgesang auf das Azurblau. So eindringlich singt sie dieses Lied vom Himmel zwischen den Halmen des Kornfeldes, daß die Franzosen ihr keinen andern Namen zu geben wußten als bluet, und die Botaniker haben sie Cyane genannt, welches griechische Wort so viel sagen will wie: das Blau des Blauen. Selbst die Himmelsfarbe wird übertroffen von dieser schönen, satten Tinte; ja, der Himmel beneidet sie. In den mehr von der Sonne gesegneten Ländern gelingt es ihm fast, sie nachzuahmen, wenn auch nicht zu besiegen, und zwar in den Augenblicken, wo er durch die dichten, flockigen Cumuluswolken des Sommers hindurchblickt. Aber nicht allein die Farbe macht die Schönheit der Kornblume aus; auch das zarte Seidengewebe ihrer gezackten Blütenblätter, auch ihre Staubfäden, die von noch tieferem Blau sind, und die uns ihre weißpunktierten Köpfchen zeigen, als wollten sie uns sanft ablenken von dem reichen Himmel, der in ihnen herabstieg, um die Erde zu küssen. Die Cyane ist sowohl nach Form wie Farbenschimmer in der That ein Stern. Das Blau ist die Farbe des Ideals, so daß die Dichter aus dem Worte ein Synonym machen, und wir es ohne eine sinnliche Regung betrachten; nur hohe Ideen, die das Fleischliche nicht einmal streifen, erweckt es in uns. Wer die Visionen, die das Rot erzeugt, verjagen will, der betrachte diese Blume, und er wird sofort versucht sein, das Haupt zu erheben, um den Himmel, ihren stärksten Rivalen, zu betrachten. Die Kornblume ist das Gegengift der Rose; diese macht uns sündigen, und wär' es auch nur in Gedanken; jene erhebt uns zu den Gesichten des Unendlichen. In der niedern Welt der endlichen und sterblichen Dinge birgt diese Blume wahre Poesie in sich; denn sie wächst auf den Feldern, wo der Mensch sein Brot säet, und nie ist sie schöner, als wenn sie zwischen den wogenden Kornähren prangt. In der Farbenmusik bilden Weiß und Blau eine der entzückendsten Harmonien, und alle Poeten denken sogleich, wenn sie die Kornblume bewundern, an die Wonne blauer Augen, die unter dem Schatten blonden Haares lächeln; selbst die Modekünstler verfehlen nicht, in kluger Übereinstimmung die weißen Strohhüte mit Kornblumen zu schmücken. Ein Strauß von blonden Ähren, aus dem Kornblumen hervorlachen, ist ein Sinnbild vollkommener Glückseligkeit: Brot und ein Stückchen Himmels; das tägliche Brot, welches ein gewöhnliches Bedürfnis stillt, und die blauen Sterne, von denen wir aufblicken müssen in das Unendliche, welches ewig dauert. Wie die Cyane in des Kornes Wogen, So blühten unter ihrem blonden Haar Carducci. Tandis que l'étoile inodore Que l'été mêle aux blonds épis, Les sillons que la moisson dore, Cueillir des bluets dans les blés ! A pleines mains les fleurs d'azur. Henri Murger. Others, their bleue eyes with tears o'erflowing, Stand like Ruth amid the golden corn. Longfellow. Lamm. Jedes Tier erreicht die Blüte seiner Schönheit in verschiedenem Alter, und dasselbe könnte man von den Pflanzen sagen; denn jede lebende Kreatur vereinigt in dem Kreislaufe von der Wiege bis zum Grabe, wenigstens für unsre Augen, in verschiedenen Perioden alles Typische seiner bestimmten Individualität. Das Pferd, der Löwe, die Eiche, die Fichte sind am schönsten auf der Mitte ihrer Lebensbahn, während das Lamm und die Kaße nur in ihrer Jugend am reizvollsten sind. Deshalb führe ich auch in diesem bescheidenen Wörterbuch der Ästhetik nicht das Schaf, sondern das Lamm auf. Dieses sanfte, wehrlose, furchtsame Tier, das sich troh seiner Zähne ohne Verteidigung erwürgen läßt; das nur in seltenen Fällen stößt und fast nur dann, wenn es Hörner trägt; dieses wehrlose Opfer des Wolfes, des Panthers und des Menschen, das stets ein Sinnbild der Sanftmut, Unschuld und Aufopferung war, zeigt als Lämmchen alle seine eigentlich negativen Tugenden. In diesem Lebensalter nimmt die Furchtsamkeit die Form unschuldiger Sorglosigkeit an; der völlige Mangel an Verteidigungs- und Angriffswaffen erweckt eher Mitleid als Geringschäßigkeit, und in diesem graziösen Tierchen finden wir den ästhetischen Wert, daß dies arme Geschöpf seine ganze Verteidigung in unserm Mitleid hat. Ein Lamm flößt uns fast dieselbe Zärtlichkeit |