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Kritiker einig. 'Of the longer poems of our chief singer', sagt Oliver Wendell Holmes, 'I should not hesitate to select Evangeline as the masterpiece, and I think the general verdict of opinion would confirm my choice'. Quinn (a. a. O., p. XXXII) erklärt gleichfalls: 'Evangeline is the greatest of all Longfellow's works, and the one, which, with Hiawatha, will carry his name down to posterity'.

Man wird natürlich zu einer falschen Einschätzung des Gedichtes gelangen müssen, wenn man es, wie vielfach geschehen, mit Goethes klassischem Werk 'Hermann und Dorothea' vergleicht. Näher läge ein Vergleich mit 'Enoch Arden. Devey (a. a. O., p. 36) schätzt 'Evangeline' höher als Tennysons Erzählung: 'As a story illustrative of the gigantic force of affection amidst the trials to which it is subjected in this world, the poem is greater than Enoch Arden. For Longfellow's materials are fewer and turned to greater account. The pity and emotional sympathy it excites is broader and more profound.'

Wir haben uns in vorstehenden Ausführungen absichtlich auf die kritischen Stimmen Amerikas und Englands beschränkt. Aber 'Evangeline' ist, wie kaum eine andere Dichtung der neuern Zeit, zugleich Eigentum der Weltliteratur geworden.

Von den Kulturvölkern, bei denen das Werk Eingang gefunden hat, interessiert uns, außer Deutschland, in erster Linie Frankreich. Hier wurde Longfellows Gedicht als eine Art poetischer Sühne für die an den Landsleuten und Glaubensgenossen in Akadien begangene Gewalttat betrachtet.

Weitern Kreisen des literarischen Frankreich wurde 'Evangeline' zuerst durch den Artikel in der 'Revue des deux Mondes' (1849, Nr. 2, p. 134 ff.) von Philarète Chasles bekannt gemacht. Der Essay hebt, ohne die Mängel der Dichtung zu übersehen, ihre Vorzüge in gebührender Weise hervor. Die sentimentale Färbung der Dichtung wird ebensosehr gerügt, wie die bei der Einfachheit des Sujets störende Eleganz des Ausdrucks. Auch der Mangel an Leidenschaft und individualisierender Bestimmtheit in der Darstellung des Liebeslebens der Verlobten wird hervorgehoben. Das hindert Chasles aber nicht, den wirklichen Schönheiten der Dichtung volle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Er rühmt Long

fellows Reinheit der Gesinnung und den hohen moralischen Ton des Werkes. Er preist die Kunst der Landschaftsmalerei in begeisterten Worten. Lange und ausführlich verweilt er bei den historischen Fakta, durch welche dem Herzen der Franzosen und Katholiken das Epos besonders teuer wird.

Etwa vier Jahre später, soweit unsere Kenntnis reicht, erschien die erste französische Übersetzung des Werkes: Evangéline, suivie des Voix de la Nuit. Poèmes traduits par le M. Chevalier de Châtelain. Londres, 1853.

Mehr noch als in Frankreich selbst mußte die Erzählung aus Akadien von den Franzosen Kanadas geschätzt werden. 'With them it ranks above all other poems.'*)

Für sie wurde 'Evangeline' 1865 von M. Lemay, einem französischen Kanadier, in französische Alexandriner übertragen. Ich habe nur die zweite Auflage dieser Übersetzung einsehen können: Evangéline. Traduction par L. P. Lemay. Deuxième édition. Québec, 1870.

Von andern französischen Übertragungen seien hier noch genannt:

Charles Brunel: Évangéline, conte d'Acadie. 1864. 2. Aufl. 1873.

Godefroid Kurth: Évangéline, conte d'Acadie. Traduit

de l'Anglais, avec une introduction. Liége, 1883. Louis Depret: Évangéline, conte d'Acadie. Étude littéraire et traduction. 1886. Ein Prachtwerk im Preise von 100 Fr.

A. Dubois: Évangéline.

Adaptation en prose avec une notice sur Longfellow. Limoges, 1889.

M. Poullin: Evangéline. Traduit et imité de l'Anglais, précédé d'une notice sur Longfellow et l'Acadie. Limoges, 1894.

Auch in ganz freier poetischer Überarbeitung, ja sogar als Oper wurde 'Evangeline' dem französischen Publikum dargeboten:

Évangéline. Pièce... d'après le poème de H. W. Longfellow. 1891.

*) Vgl. Quinn, a. a. O., p. XXXVI. Quinn erzählt auch von den Kanadiern: 'Some of them have even gone so far as to learn English for the express purpose of familiarizing themselves with the original'.

Évangéline, légende acadienne en quatre actes tirée du
poème de Henry Wadsworth Longfellow, par L. de
Gramont, Hartmann et Alexandre. Musique de
Xavier Leroux.

1895.

Welches Interesse, namentlich in den katholischen Kreisen Frankreichs, Longfellows Dichtung bis in die jüngste Zeit entgegengebracht wird, beweist das Buch von M. R. Casgrain, Un Pèlerinage au pays d'Evangéline. 1887.

In Deutschland war der Boden für die Aufnahme der Longfellowschen Dichtung in anderer Weise geebnet. Voß' 'Luise' und Goethes 'Hermann und Dorothea' hatten hier den Geschmack des Publikums in einer Weise beeinflußt, daß ihm 'Evangeline' trotz des Ausblicks in ganz neue Lebenskreise und Zonen im Grunde wahlvertraut erscheinen mußte.

Über die zahlreichen deutschen Übersetzungen habe ich ausführlich in der Zeitschrift 'Die neueren Sprachen' (April 1901) gehandelt, so daß ich es mir versagen kann, darauf einzugehen.

Ferner legen die zahlreichen Schulausgaben, welche das Werk in Deutschland erlebt hat, Zeugnis dafür ab, welcher Wert dem Werk bei uns als Bildungsmittel der Jugend beigelegt wird.

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VI. Kapitel.

Würdigung der Dichtung.

Es kann nicht meine Absicht sein, den unzähligen kritischen Beurteilungen, die Longfellows Gedicht erfahren hat, noch eine neue hinzuzufügen. Ich beschränke mich darauf, einige der Grundlinien festzulegen, die eine ästhetische Beurteilung, wenn sie nicht ungerecht sein will, innezuhalten hat.

Man hat das Gedicht eine Nachahmung des Goetheschen Epos 'Hermann und Dorothea' genannt und seinen Wert ohne weiteres an diesem Meisterwerk messen wollen. Nichts konnte verkehrter sein; Goethe schrieb eine klassische Dichtung, deren Interesse auf der Handlung und ihrer psychologischen Entwickelung aus den Charakteren, den Trägern der Handlung, beruhte. Longfellow hat uns eine romantische Dichtung hinterlassen, in der alles auf die Stimmung ankommt, die der Dichter für seine Figuren zu erwecken und festzuhalten versteht. Wir haben im vorigen Kapitel gesehen, wie von der Kritik geltend gemacht wurde, daß Longfellows Helden so wenig individualisierende Bestimmtheit haben, daß von einer Charakterentwickelung bei ihnen nicht die Rede sein könne. Diesem Tadel wird unter dem obigen Gesichtspunkt der Boden entzogen. Goethes Charaktere konnten der individualisierenden Bestimmtheit nicht entbehren, sie mußten sich mit der Handlung und letztere mit ihnen fortschreitend entwickeln. Bei Longfellow müssen und können wir uns damit begnügen, daß die Helden unserer Liebe und Teilnahme würdig vor unser Auge gestellt werden und sich unsere Sympathie durch ihr Handeln bewahren. Longfellow befindet sich hinsichtlich der Zeichnung jener Charaktere in voller Übereinstimmung mit andern erfolgreichen Dichtern romantischer Erzählungen. Ist Scheffels Margarethe etwa weniger 'blaß und unausgeführt'? Zeichnen sich die Helden der Scottschen Romanzen durch besondere Bestimmtheit in

Anlage und Entwickelung des Charakters aus? In Dichtungen, wie den genannten, die meistens die erste Phase einer hochstrebenden dichterischen Entwickelung bezeichnen, hängt alles von dem Stimmungszauber ab, in den uns der Dichter zu versetzen vermag. Er muß uns zwingen, das verklärte Licht, das er über seinen Helden gebreitet sieht, mit seinen Augen zu schauen. Aus dieser Forderung lassen sich alle Gesetze für sein Schaffen ableiten. Einheit der Stimmung ist hier oberste Richtschnur.

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Es kommt gar nicht darauf an, wieviel von seinem eigenen innern Leben der Autor seinen Helden eingegeben, ob die Sphäre, in die er seine Helden erhebt, den Umständen ihres äußern Lebens mit Wahrscheinlichkeit entspricht, wenn er nur die innere poetische Wahrscheinlichkeit auf seiner Seite hat.- Das ist auf die Einwürfe zu erwidern, die Philarète Chasles gegen die Dichtung erhebt. Dem Kritiker der 'Revue des deux Mondes' ist die Luft, in der Longfellows Helden atmen, zu ätherisch. Er beklagt, daß sie dem Boden, auf dem sie als gesunde akadische Bauern stehen sollten, zu weit entrückt sind. Er möchte die Erzählung auf das Niveau einer Dorfgeschichte herabgedrückt sehen.

Man hat mit Vorliebe auf den sentimentalen Ton der Dichtung hingewiesen. Soweit die Bezeichnung 'sentimental' in dem guten, von Schiller definierten Sinne verstanden wird, ist hiergegen nichts einzuwenden. Wenig gerecht aber werden der Dichtung diejenigen Kritiker, die das Wort in dem gewöhnlichen tadelnden Sinne gebrauchen. Unleugbar ist der Stimmungsreichtum in 'Evangeline', aber die Sehnsucht ist nicht gegenstandslos, keine unfaßbaren Stimmungen, kein tränenseliges Zerfließen begegnet uns hier. Evangeline ist eine positive, starke Natur, tapfer wie der Held einer Erzählung es nur sein kann; sie folgt unwandelbar der Stimme ihres eigenen edlen Herzens, weder Zeit noch Menschen können sie irre machen, sie bleibt sich selbst bis zum Tode getreu.

Und sie triumphiert. Freilich, für ihr Erdenglück ist es zu spät, als sie Gabriel wiederfindet, aber die Liebe und Treue, die sie ihm bewahrt, ist dennoch unverloren. Rein und geläutert, fast engelgleich steht sie vor uns am Ende ihrer Pilgerfahrt. Keine Güter, kein Glück dieser Welt hat

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